CD Review “Remedy” bei Musikreviews.de

Da sitzt sie nun, vor ihrem rot-weißen Pillen-Cocktail im Weinglas, auf dem Cover ihres Albums „Remedy“ – das singende Kunst-“Multi“-Talent KATI VON SCHWERIN. Und wie die Musikerin, die zugleich als Kati Gräfin von Schwerin seit 2010 eine erfolgreiche (zwischen Popart und Realismus) gestaltende Künstlerin (Malerei und Installation) ist, an ihren Pillen-Cocktail gelangt, das dürfen wir uns zugleich auf dem ersten Video zu „Remedy“, „I Need A Remedy“, genauer anschauen und anhören. Bereits nach dem Song, der als typisches Beispiel für von Schwerins Musik gelten kann, ist klar, in welche Richtung das Album, welches KATI VON SCHWERIN ihren „geliebten Eltern“ mit der zusätzlichen Bemerkung „Sentimental but true“ widmet, geht: melancholischer Pop, der durchaus auch mit einigen Funk- und Soul-Verweisen aufwartet, und mit starken, sehr persönlichen englischen Texten sich sogar im Singer/Songwriter-Bereich etabliert.

„Remedy“ ist KATI VON SCHWERINs Debüt-Album.
Ein Album voller Leidenschaft, denn es „entstand in erster Linie motiviert von Rachegelüsten und Wutanfällen“. Wenn man dann auch noch den entsprechenden Soul in der Stimme hat und manchmal wie eine Sängerin klingt, die sich in den unterschiedlichsten Spielarten guter pop-infizierter Musik wohl fühlt, aber auch locker jeden Bar-Jazz-Freund oder sogar Gospel-Anhänger erfreuen kann, ist dieses Debüt eins der gelungensten Debüts älterer und moderner Pop-Musik. Während viele Musiker sich bei ihren ersten Scheiben erst einmal warmlaufen müssen oder recht schwer tun, um dann das ganz große Ding rauszuhauen, ist „Remedy“ schon ein absolut heißes Teil. So als hätten FLEETWOOD MAC ihr „Rumours“ auf den ersten meisterhaften Streich hinbekommen. Darum sind auch die schlichten Worte, die KATI VON SCHWERIN für „Remedy“ findet, deutliche Untertreibung: „Ich bin Pop-Artist oder ein Pop-Bündel. Ich kann machen, was ich will, und die ganzen kleinen Eimer, in denen die Folkmusik, Rockmusik, Funkmusik dümpelt, schwimmen alle im großen Popteich. ‚Remedy‘ ist Pop-Musik. Punkt.“ In diesem Sinne ist von Schwerin aber längst kein Pop-Schwärmer-Fisch, sondern ein Hai, der erhaben seine Bahnen nicht etwa im Teich, sondern im weiten Ozean zieht.

Bereits „Welcome“ – einer der besten Songs des Albums, da er auf anfängliche Ruhe und sich dann grandios steigernde Dynamik mit Ohrwurm-Charakter setzt – lässt am Anfang von „Remedy“ aufhorchen. Besonders natürlich auch wegen der warmen, souligen, charismatischen Stimme der Musikerin. Hier ist eine Künstlerin am Werk, die sich eben nicht nur als Sängerin präsentiert, sondern als „singendes Gesamtkunstwerk“, die sogar ein abgeschlossenes Philosophie-Studium zu bieten hat, wovon auch ihre intensiven, leidenschaftlichen, in die Tiefe gehenden Texte, welche man alle im kunstvoll gestalteten 12seitigen Booklet nachlesen kann, ganz offensichtlich profitieren. Texte, die nichts mit dem peinlichen Pop-Appeal leuchtender Pop-Sternchen zu tun haben, sondern den gefühlvollen dunklen Seiten der Abendstunden, wofür der letzte Song „Please Sing About Us“ das beste Beispiel ist: „All my life, I wrote songs about feeling blue / And I was good at it / But here‘s the opposite.“

Dazu eine kraftvolle Stimme, die sich irgendwo zwischen AMANDA PALMER und LISA STANSFIELD (zu der sie auch einige optische Parallelen aufweist) bewegt, machen KATI VON SCHWERIN zu einer deutschen Pop-Sangeshoffnungsträgerin in einer Radio-Kultur, in der man einem mit der Pieps-Stimme einer ANNETT LOUISAN und den Texten über „Dein Ding“ angeblichen Pop-Anspruch weiszumachen versucht. Und selbst wenn es mir ein Rätsel ist, wie Sireena Records, die ja in erster Linie für Krautrockiges stehen, gerade KATI VON SCHWERIN entdecken konnten, so bleibt als FAZIT doch eins klar – auch diese Entdeckung ist wie fast alle Sireena-Entdeckungen mal wieder eine echte Perle, völlig „unkrautig“, dafür aber erhaben poppig funkelnd! Pop der alten Schule, ideal für die sich in Oberflächlichkeiten suhlende moderne Musik-Zeit. [Album bei Amazon kaufen]

Thoralf Koß (Info) veröffentlicht am 

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