Kunst und Klopapier
therealtroubadix hat ein Live-Video gestartet.
Die Gesellschaft ist am Hängen, schlecht drauf wegen Freiheitsentzug und Social Distancing. Gebeutelt von Hamsterei, Homeschooling und Homeoffice werden alle verrückt, die es bis dato noch nicht waren. Doch was zeigt sich ein ums andere mal? Nicht nur die Ärzte/Ärztinnen und Pfleger*innen sind an vorderster Front, sondern ebenso der Gesellschaft Enfant Terrible: der Kreativling. Stets belächelt und mit allerwelts Lieblingssatz abgewatscht „Kann man denn davon leben?!“, gelten die Künstler als weltfremde Feingeistige, die der Realität abschwören und sich in ihrer feenhaften Zauberwelt tummeln. Der Stempel „nicht systemrelevant“ ist eingraviert und mittig auf der Stirn platziert. Niedlich isser der Freak, der Narr, der meint, mit seinem Kram könnte er Brot und Wasser bezahlen. Arbeiten ein Fremdwort, jeden Tag Urlaub und Feierlichkeit, wie schön mutet dieses naive Leben an, und ist doch töricht, da man hungrig stirbt.
Der Arme. Doch was zeigt sich nun? Wer ist hier hungrig? Hungrig nach genau dem Kram: Musik, Kunst, Tanz und allem, was temporär vergessen lässt, dass man zuhause hockt und sich gegenseitig auf den Sack geht. Die Gier nach Zerstreuung, Ablenkung und Erheiterung wird in diesen Tagen scheinbar endlos, und so dürstet die Seele nach kreativen Impulsen und emotionalem Genuss, der ein bisschen streichelt und sagt: „Hier ist ein Stückchen Glück!“. Und so gibt der Kreative seinen Kram, schmeißt alles von seinem Luftschloss auf die Massen herab, die es konsumieren und einsaugen, und einen weiteren Tag überstehen, ohne häusliche Gewalt und ohne sich aufzuhängen. Bitte, gern geschehen, sagt der Clown und bekommt nix für sein Online-Live-Konzert, den einstündigen Podcast oder tägliche Einblicke in seine Arbeit. Na ein „Like“ vielleicht, von dem er sich dann virtuelles Brot und virtuelles Wasser kaufen kann. Wunderbar. Der Künstler macht, nicht weil er will, sondern weil er muss, ist stets getrieben und verstopft, wenn nichts rauskommt. Und zudem ist er ein Exhibitionist, da muss man ehrlich sein, den künstlerischen Mantel aufreissen, um zu zeigen was man hat, ist halt zwanghaft und meist angeboren. Doch die Massen glotzen auch, viel zu lang aufs kostbare Gut, lachen, aber klatschen nicht, und gehen einfach weiter, anstatt mal einen Groschen hinzuwerfen für neue Unterhosen. Immer und überall kann man es kriegen, wenn man es haben will.
Auf Spotify für lau. Kultur verkommt zum Wegwerf-Artikel, zur Hure und zum Stricher, schnell mal rangewunken, wenn man‘s nötig hat und im Anschluss mies bezahlt.
Du erbärmlicher Zeitgeist Du, Deine Schätze sind weiße Sneaker und nicht mehr Vinyl, stehst fürs neue Iphone an, kennst keine Helden und die Sehnsucht ist Dir fremd. Aber wen wunderst, wenn alle an der Flasche rubbeln und dabei das Wort „systemrelevant“ entweicht. So wies Jens Spahn just daraufhin, dass der Weg zum Job wichtiger ist, als ein Konzert am Abend, und vergisst dabei, wie so viele, dass Kultur ebenso auch Arbeitsplätze stellt, die die Mäuler stopfen.
Und wer nicht begreift, dass die Gesellschaft und ihre Tugend erkrankt, sobald man Kultur wegrationalisiert oder in mangelhafter Weise wertschätzt, der versteht auch nicht, dass man Klopapier nicht fressen kann.